Was Sie jetzt tun können, um vom Funktionieren in die Leichtigkeit zu kommen und Burnout rechtzeitig vorzubeugen.
Stress an sich ist nichts Schlechtes - in seiner positiven Ausprägung brauchen wir den sogenannten Eustress, um uns aktivieren und überhaupt Leistung erbringen zu können. "Entscheidend ist, dass zwischendurch ausreichend Pausen gemacht werden und der Stress nicht chronisch wird", sagt die Klinische- und Gesundheitspsychologin Barbara Raunig aus Mödling. Dann kann das auf Dauer zu Erschöpfungsdepression oder Burnout führen. Und das hat in der Regel sehr lange Krankenstände zur Folge.
Sind Sie es gewöhnt, "durchzubeißen"?
Vor allem, wenn die Arbeit sehr viel Freude macht, werden Grenzen häufig übersehen. So kann es passieren, dass Menschen über Jahre hinweg ein Leben führen, das sie innerlich immer mehr aushöhlt, weil in einem schleichenden Prozess Bedürfnisse übersehen und Ressourcen nicht gestärkt werden. Was dann über die Zeit hinweg in eine chronische Erschöpfungsdepression führt, beschreiben die beiden Psychotherapeuten Timo Schiele und Bert te Wildt von der Psychosomatischen Klinik Kloster Dießen mit dem Phänomen "Burn On". "Das Leben vor allem dem Diktat der Funktion, der Disziplin und der Arbeit zu unterwerfen, ist unmenschlich und macht krank", warnen die beiden Therapeuten. So ist es vor allem die Bereitschaft, immer wieder "durchzubeißen", die bei vielen schon Gewohnheit ist und damit nie aus der Endlosschleife führt. Denn die Hoffnung, dass "bald endlich alles besser wird", ist längst zum Alltag - und damit auch zum Dauerantrieb geworden. – Oftmals Jahre lang!
Mental Load: Die unsichtbare Last
Ausbrennen hat viele Facetten und so ist auch eine Entwicklung, die es schon lange gibt aber erst durch die massiv gestiegene Belastung durch Corona ans Licht der Öffentlichkeit gekommen und auch einen Namen bekommen hat, das "parental Burnout": Es zeigt sich dann, wenn Eltern unter den Anforderungen der täglichen Mehrfachbelastung einfach nicht mehr können.
"Mental Load" beschreibt vorrangig die Belastung, die durch das Organisieren von Alltagsaufgaben entsteht, die gemeinhin als nicht der Rede wert erachtet werden und somit weitgehend unsichtbar sind. "Vor allem Frauen sind von dieser Belastung stark betroffen, wenn sie selbst zum einen viel geben und zum anderen zu wenig Unterstützung bekommen, wenn es um die Mehrfachbelastung von Beruf, Familie und Haushalt geht", sagt Barbara Raunig.
Mit Selbstfürsorge unabhängiger werden
Zwar können wir die äußeren Umstände nicht immer beeinflussen, wie die Pandemie und ihre Folgen deutlich gezeigt hat – und von politischer Seite sind noch viele Unterstützungsmaßnahmen für Alleinerziehende und Familien gefragt. Doch unabhängig von den aktuellen äußeren Umständen können wir lernen, selbst im eigenen Einflussbereich ein gesundes Maß an Anstrengung zu finden – und Selbstfürsorge als Gewohnheit und im Sinne der gesunden Selbstliebe zu betreiben.
"Was treibt mich wirklich an?"
Das bedeutet: Selbst einen Schritt zurücktreten, zu reflektieren und dann Verantwortung für das eigenen Wohlbefinden übernehmen, anstatt die Schuld anderen oder den Umständen zu geben. "Dazu gehört zum Beispiel, sich rechtzeitig abzugrenzen und für sich auf gesunde Weise einzustehen", sagt die Psychologin Raunig, "Menschen, die immer das Gefühl haben, etwas leisten zu müssen, um gut genug zu sein, fällt das oft besonders schwer." In diesem Fall wird das Minderwertigkeitsgefühl mit Arbeit kompensiert – praktisch als Flucht vor dem unangenehmen Gefühl, sich innerlich als Mensch an sich wertlos zu fühlen. "Es entsteht dann eine Sucht nach Arbeit, die vergleichbar ist mit der Sucht nach Substanzen wie zum Beispiel Alkohol", sagt Raunig, "Das fehlende Selbstwertgefühl wird also durch Leistung oder auch durch eine besondere Position und Status kompensiert."
"People Pleasing" - die Top-Burn Out-Falle
Für Menschen, die von früh auf darauf ausgerichtet sind, es anderen Menschen recht zu machen, sich unterzuordnen und zu gefallen, hätten vor allem auf der Beziehungsebene oft Schwierigkeiten, rechtzeitig nein zu sagen. "Menschen mit diesem Muster kümmert es sehr stark, wie sich andere fühlen und wie sie selbst von ihnen gesehen werden", sagt Raunig, "Sie beziehen ihr Selbstwertgefühl stark durch die Zustimmung und Anerkennung anderer." Dementsprechend ist auch ihr innerer Kritiker besonders stark.
Alte Erfahrungen und Prägungen aus der Kindheit können dabei unbewusst noch eine große Rolle spielen. "Wenn der Chef dann zum Beispiel schimpft, werden Gefühle aus der Kindheit getriggert, die sich damals schlimm anfühlten, weil man sich nicht wehren konnte und von den Bezugspersonen abhängig war", nennt Raunig als Beispiel. Wer hingegen zu Perfektionismus neigt, könnte früher die Erfahrung gemacht haben, nur durch Leistung gesehen und wahrgenommen zu werden. "Diese inneren Antreiber bleiben oft bis ins Erwachsenenalter bestehen", sagt Raunig.
Starke negative Gefühle hinterfragen
Hilfreich ist, den Anteil des "inneren Kindes" zu erkennen, das oft in jenen Situationen spürbar wird, in denen negative Gefühle besonders stark empfunden werden. "Dann können Sie sich fragen, ob diese Intensität wirklich der aktuellen Situation angemessen ist oder ob Sie dazu nicht schon in sehr jungen Jahren eine entsprechende Erfahrung gemacht haben, die jetzt wieder hervorgerufen wird", sagt Raunig. Der Anteil des "inneren Erwachsenen" ist dann dafür verantwortlich, die Situation in die Hand zu nehmen und auf gesunde Weise zu lösen.
Zum Beispiel, indem wir um Hilfe fragen und diese auch annehmen, Perfektionismus als Bewältigungsstrategie von Minderwertigkeitsgefühlen erkennen und ablegen und den Selbstwert – wie der Name schon sagt – in sich selbst zu finden und diesen nicht an äußere Bedingungen zu knüpfen. Dazu gehört auch, sich selbst genug zu sein und es in Kauf nehmen, nicht von allen Menschen geliebt, gemocht oder gar bewundert zu werden. Ein gesundes Selbstwertgefühl, das unabhängig von Leistung oder Status entsteht, ermöglicht es, auf die eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Grenzen acht zu geben und damit auch mehr Leichtigkeit im Alltag zu erlangen.
Den ausführlichen Artikel über das Phänomen "Burn on" und Lösungswege lesen Sie im neuen Lust aufs LEBEN!